Die 14 Berliner Flötisten

    
»Einen wirklich neuen Klang kreieren«

       Die 14 Berliner Flötisten feiern ihren 10. Geburtstag

        

Quelle: Berliner Philharmoniker. Das Magazin. Ausgabe September/Oktober 2006

VON EVA BLASKEWITZ

In der Tiefe dumpfes Grollen. Die glatte Wasseroberfläche beginnt sich zu kräuseln, kleine Wellen funkeln im Licht. Gischtfetzen stieben auf, das Meer hebt und senkt sich in langen Bewegungen, glitzernde Schaumkronen tanzen auf den Wogen. In Siegfried Matthus' eigens für das Ensemble entstandener Komposition Des Meeres und der Flöten Wellen entwerfen die 14 Berliner Flötisten in kräftigen Farben ein musikalisches See-Gemälde. Und man versteht sofort, was Andreas Blau, Soloflötist der Berliner Philharmoniker und Leiter des Ensembles, meint, wenn er sagt, die 14 Flötisten hätten einen neuen Klang kreiert, den es vorher nicht gegeben habe. Wobei das eigentlich nicht weiter erstaunlich ist, denn schließlich war das Ensemble bei Gründung vor nunmehr zehn Jahren eine absolute Novität.

 

Von der Vielfalt der Flöten

 

     Seine Entstehung ist in gewisser Weise der Deutschen Bahn zu verdanken: Auf einer Zugfahrt gen Westen nämlich saß kurz nach dem Fall der Berliner Mauer Andreas Blau in trauter Runde mit einigen Kollegen zusammen - und bedauerte im Stillen, dass man so selten Gelegenheit hatte, gemeinsam zu musizieren. Fortan spukte der Gedanke an ein Flötenensemble in seinem Kopf herum. Er nahm Konturen an, als Blau einige Zeit später seinen ehemaligen Schüler Hiko Iizuka besuchte. Der ist nicht nur freiberuflicher Flötist, sondern betreibt in Berlin auch eine Reparaturwerkstatt samt angeschlossenem Laden, in dem er neben einem Sortiment handelsüblicher Flötentypen einige besondere Schätze hütet: Kontrabass-Flöten in C und F etwa und als Prunkstück eine von nur drei weltweit existierenden Subkontrabass-Flöten - ein mehr als mannshohes Gebilde, das aussieht wie eine gigantische Triangel auf einer Fahnenstange. Andreas Blau war begeistert von den ungewöhnlichen Instrumenten, und Hiko Iizuka erklärte sich sofort bereit, sie für ein Flötenensemble bereitzustellen. Fehlten nur noch die Musiker.

     Und da fielen Andreas Blau die Kollegen aus dem Ostteil der Stadt ein, mit denen man auch nach dem Fall der Mauer nur wenig Kontakt hatte. Eine wunderbare Gelegenheit zu musikalischer Wiedervereinigung. Seine Idee stieß auf reges Interesse: 14 Flötisten aus Ost und West kamen zusammen, viele von ihnen Solisten der großen Berliner Orchester. Und sie verstanden sich auf Anhieb prächtig, keine Spur von Rivalität unter konkurrenzbewussten Bläsern: »Von Anfang an habe ich einfach die Noten irgendwo hingelegt, und die Kollegen haben sich hingesetzt, wie es sich gerade ergab«, erzählt Blau, »da gab es kein Gerangel um die Solostimmen.«

     Ein Probenort ist rasch gefunden: Die Berliner

 

 

Die 14 Berliner Flötisten; ganz links: Andreas Blau

 

Philharmonie stellt großzügig Räume zur Verfügung, auch hinter den Kulissen der Staatsoper oder der Deutschen Oper findet sich immer mal ein Plätzchen. Erheblich schwieriger gestaltet sich die Frage der Probenzeiten. Oft lassen die eng gestrickten Terminpläne der Musiker nur eine Lösung zu: abends ab ungefähr halb elf, nach Vorstellungen und Konzerten. Während ihre Orchester-Kollegen in den wohlverdienten Feierabend entschwinden, machen sich die 14 Flötisten dann auf zur zweiten Schicht - und die dauert oft bis weit nach Mitternacht. Aber die freundschaftlich-lockere Proben-Atmosphäre lässt die späte Stunde rasch vergessen; Spaß am Musizieren steht im Vordergrund, und manchmal muss Andreas Blau schon energisch auf den Tisch klopfen, damit das ernsthafte Proben nicht ganz und gar in Vergessenheit gerät. Auf einen Dirigenten verzichten die Flötisten übrigens - keine Selbstverständlichkeit bei einem Ensemble, das fast Kammerorchester-Größe erreicht. Aber es habe durchaus seine Vorteile, meint Andreas Blau: »Man ist gezwungen, aufeinander zu hören, und die Probenarbeit ist engagierter und intensiver, wenn alle Kollegen sich trauen, etwas zu sagen.«

 

 

Hiko Iizuka mit der
legendären Subkontrabassflöte

 

     Dass jeder seine Persönlichkeit und seine eigene Spielweise einbringt, trägt zum farbenreichen Klangbild bei. Auch die vielfältigen Erfahrungen der Musiker in Opern- oder Symphonieorchestern und Kammermusik-Ensembles kommen der Gruppe zugute, denn das musikalische Programm der 14 Berliner Flötisten ist breit gefächert: Da Original-Literatur naturgemäß Mangelware ist, bedienen sie sich ungeniert aus dem reichhaltigen Fundus der Musikgeschichte - schließlich waren Bearbei¬tungen schon in früheren Jahrhunderten gang und gäbe. Bewährte Arrangeure, einige davon aus den eigenen Reihen, richten Kompositionen aller Stile und Epochen für das Ensemble ein, von Bachs berühmtem c-Moll-Konzert für zwei Cembali über den Sommernachtstraum bis hin zur Pink Panther-Suite von Henri Mancini - übermäßiger Respekt vor großen Namen ist den 14 Flötisten ebenso fremd wie Scheu vor dem Populären. »Das ist ja gerade das Schöne, dass wir relativ unbegrenzt sind an Stücken, die wir spielen können«, meint Andreas Blau, »sie müssen nur für unser Ensemble zugeschnitten werden.« Oder gleich neu geschrieben.

     Mittlerweile haben etliche zeitgenössische Komponisten den eigenwilligen und facettenreichen Klang des Ensembles für sich entdeckt. Werner Thärichen etwa, ehemaliger Pauker der Berliner Philharmoniker, der schon für das umjubelte Antrittskonzert vor 10 Jahren eine Komposition beigesteuert hat; oder Siegfried Matthus, dessen Kammeroper Kronprinz Friedrich, mit der 1999 das restaurierte Schlosstheater in Rheinsberg wiedereröffnet wurde, passgenau auf die

 

Während einer Aufnahmesitzung

 

Flötisten zugeschnitten ist.

     Und die Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgeschöpft, Andreas Blau hat den Kopf voller Ideen für die Zukunft - keineswegs nur musika-lischer Art: Nachdem deutschlandweit stürmisch gefeierte Konzerte, Auf-tritte in Rundfunk und Fernsehen und mehrere CD-Produktionen den Er-folg des Ensembles unter Beweis gestellt haben, liebäugelt er damit, sich nun verstärkt in Richtung Ausland zu orientieren. An Auftrittsmöglichkeiten etwa in Japan oder Korea mangelt es nicht, lediglich vor den beträchtlichen Reisekosten schrecken die Veranstalter - noch - zurück.

     Zum 10. Geburtstag sei den 14 Berliner Flötisten gewünscht, dass sich auch für diese Schwierigkeit eine Lösung findet. Der programmatische Titel ihrer ersten CD, Ein grenzenloses Flötenvergnügen, bekäme dann noch eine ganz neue Bedeutung.

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